Der Aachener Aphasie Test (AAT)
(Huber, Poeck, Weniger & Willmes, 1983)
Überblick
Der AAT ist ein standardisierter, im deutschsprachigen Raum weitverbreiteter Aphasie-Test. Er besteht aus den folgenden sechs Untertests:
- Spontansprache
- Bewertet werden (0 bis maximal 5 Punkte): Kommunikationsverhalten, Artikulation & Prosodie, Automatismen, Semantik, Phonematik und Syntax
- Token Test
- Zeigen und Zuordnen von geometrischen Formen, verschiedenen Farben und verschiedenen Größen
- Nachsprechen
- 10 Laute, 10 einsilbige Wörter, 10 Lehn- und Fremdwörter, 10 komplexe Wörter und 10 Sätze
- Schriftsprache
- Lautes Lesen, Zusammensetzen von Buchstaben-/Wortkarten nach Diktat und Schreiben nach Diktat
- Benennen
- Abbildungen benennen: 10 einfache Nomina, 10 Farbadjektive, 10 Komposita und 10 Situationen
- Sprachverständnis
- Auditives Verständnis für Wörter, auditives Verständnis für Sätze, Lesesinnverständnis für Wörter und Lesesinnverständnis für Sätze
Spontansprache
Es wird ein etwa 10 Minuten langes Gespräch zwischen Untersucher und Patient geführt. Das Gespräch hat die Form eines semistandardisierten Interviews, d.h. der Untersucher stellt gezielte, offen formulierte Fragen, deren Abfolge und ungefährer Wortlaut festgelegt sind. Die Fragen beziehen sich auf die Krankheit des Patienten, dessen Beruf, Familie und Freizeitaktivitäten.
Anhand der Tonaufnahme werden die folgenden sprachlichen Störungsmerkmale analysiert und die Häufigkeit ihres Vorkommens vermerkt:
- Zeichen von Dysarthrie
- Sprechgeschwindigkeit
- recurring utterances
- Sprachautomatismen
- Echolalie
- Stereotypien
- phonematische Paraphasien / semantische Paraphasien
- phonematische Neologismen / semantische Neologismen
- Wortfindungsstörungen
- Fehlen von Flexionsformen
- Satzabbrüche
- Satzverschränkungen (cf. Paragrammatismus)
Außerdem wird das generelle Kommunikationsverhalten beurteilt. Die Bewertungskriterien sind aufgeteilt in die folgenden sechs Bereiche:
- Kommunikationsverhalten
- Artikulation und Prosodie
- Automatisierte Sprache
- Semantische Struktur
- Phonematische Struktur
- Syntaktische Struktur
Beurteilt wird anhand einer 6-stufigen Bewertungsskala.
Token Test
Der Test besteht aus fünf Aufgabengruppen mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad. Pro Aufgabengruppe gibt es zehn Aufgaben. Die Aufgaben werden mündlich, entsprechend dem vorgeschriebenen Wortlaut gestellt. Als Material dienen Plastikplättchen in verschiedenen Formen, Farben und Größen. Für jede Ausgabengruppe wird eine festgelegte Auswahl aus dem Material getroffen.
Aufgabengruppen:
- sprachliche Anforderung: Farbadjektive
Beispiel: Zeigen Sie das grüne Viereck. - sprachliche Anforderung: Farb- und Größenadjektive
Beispiel: Zeigen Sie den großen roten Kreis. - sprachliche Anforderung: Farbadjektive, Konjunktionen
Beispiel: Zeigen Sie den weißen Kreis und das rote Viereck. - sprachliche Anforderung: Farb- und Größenadjektive, Konjunktionen
Beispiel: Zeigen Sie das große grüne Viereck und den kleinen weißen Kreis. - sprachliche Anforderung: Farbadjektive, Konjunktionen, Präpositionen
Beispiel: Legen Sie das weiße Viereck auf den grünen Kreis.
Der Token Test unterscheidet mit großer Sicherheit zwischen aphasischen und nichtaphasischen Hirngeschädigten, er trägt aber nichts zur Klassifikation der einzelnen aphasischen Syndrome bei. Bewertet wird nur, ob die Aufgabe richtig oder falsch gelöst wurde.
Nachsprechen
Der Test besteht aus fünf Teilen mit je zehn Items. Jedes item wird vom Untersucher vorgesprochen und darf maximal einmal wiederholt werden. Der Patient soll die Items jeweils nachsprechen, nicht mitsprechen. Der Untersucher darf keinerlei sprachliche Hilfen gewähren.
Testteile:
- Einzellaute
- Einsilbige Wörter
- Lehn- und Fremdwörter
- Zusammengesetzte Wörter
- Sätze
Jedes Item wird nach den folgenden Kriterien mit 0-3 Punkten bewertet:
3 - keine Störung
2 - Ähnlichkeit mit der Zielform / Selbstkorrektur / Wiederholung / Unsicherheit
1 - geringe Ähnlichkeit mit der Zielform
0 - keine Ähnlichkeit mit der Zielform / keine Reaktion / Automatismus / Perseveration
Die Termini Ähnlichkeit bzw. geringe Ähnlichkeit sind in der AAT-Handanweisung genau definiert.
Schriftsprache
Der Test besteht aus drei Teilen mit jeweils zehn Items. Der Untersucher darf keinerlei sprachliche Hilfen gewähren.
-
Lautes Lesen
Material: Tafeln, auf denen die vorzulesenden Wörter/Sätze aufgedruckt sind
-
Zusammensetzen nach Diktat
Material: Buchstaben- bzw. Wortkärtchen; daraus soll der Patient die vom Untersucher vorgesprochenen Items zusammensetzen
-
Schreiben nach Diktat
Material: Papier und Stift; der Patient soll die vom Untersucher vorgesprochenen Items schreiben (bei Hemiparese rechts mit der linken Hand)
Jedes Item wird nach den folgenden Kriterien mit 0-3 Punkten bewertet:
3 - keine Störung
2 - Ähnlichkeit mit der Zielform / Selbstkorrektur / Wiederholung / Unsicherheit
1 - geringe Ähnlichkeit mit der Zielform
0 - keine Ähnlichkeit mit der Zielform / keine Reaktion / Automatismus / Perseveration
Benennen
Der Test besteht aus vier Teilen mit jeweils zehn Items. In den ersten drei Teilen sollen Objekte (Strichzeichnungen) bzw. Farben mit einem Wort benannt werden. Im vierten Teil sollen gezeichnete Situationen und Handlungen mit jeweils einem Satz benannt werden. Der Untersucher darf keinerlei sprachliche Hilfen gewähren.
Teile 1-3:
- Objekte (einfache Nomina)
- Farben
- Objekte (Komposita)
Diese 30 Items werden nach den folgenden Kriterien mit 0-3 Punkten bewertet:
3 - keine Störung
2 - semantische Ähnlichkeit mit dem Zielwort / Selbstkorrektur / Suchverhalten / Unsicherheit
1 - geringe semantische Ähnlichkeit mit dem Zielwort
0 - keine semantische Ähnlichkeit mit dem Zielwort / keine Reaktion / Automatismus / Perseveration
Die 10 Items des vierten Teils (Situationsbeschreibung) werden nach den folgenden Kriterien ausgewertet:
3 - keine Störung
2 - formale Abweichungen / inhaltlich ungenau / leicht unvollständig / Selbstkorrektur
1 - inhaltliche Abweichungen / logorrhoeische Umschreibung / stark unvollständig
0 - keine Reaktion / Automatismus / Perseveration / phonematischer oder semantischer Jargon
Sprachverständnis
Der Test ist so aufgebaut, daß der Patient unter jeweils vier gleichzeitig präsentierten Strichzeichnungen diejenige auswählen muß, die zu dem zuvor vorgelesenen Wort oder Satz paßt. Die Items werden in den Testteilen 1 (Wörter) und 2 (Sätze) vom Untersucher vorgelesen, in den Teilen 3 (Wörter) und 4 (Sätze) muß sie der Patient selbst lesen. Die Tafel mit den vier Zeichnungen wird erst dann präsentiert, wenn die Items vollständig vorgelesen und nicht mehr sichtbar sind. Jeder Testteil besteht aus zehn Items. Die vier Bilder zu jedem Item sind so ausgewählt, daß die Bezeichnungen für die nicht passenden Bilder (Ablenker) eine lautliche bzw. semantische Ähnlichkeit zum Stimuluswort haben (Teile 1 und 3) bzw. eine thematische oder syntaktisch-morphologische Ähnlichkeit zum Stimulussatz (Teile 2 und 3). Der Untersucher darf keinerlei sprachliche Hilfen gewähren.
Die Reaktionen werden nach den folgenden Kriterien mit 0-3 Punkten bewertet:
3 - keine Störung
2 - Wiederholung (des Stimulus) / Selbstkorrektur
1 - Bild mit sprachlicher Ähnlichkeit zum Zielbild
0 - keine Reaktion / Bild ohne sprachliche Ähnlichkeit
Psychometrische Differenzierung
Validierungsuntersuchung des AAT-Untertests Spontansprache (Willmes et al., 1980)
Die Gruppen sind von links nach rechts nach Schwere der Störung geordnet; Gruppen, die sich nicht signifikant unterscheiden, sind geklammert. (G=Global, B=Broca, W=Wernicke, A=Amnestisch)
Kommunikationsverhalten | G (W B) A |
Artikulation und Prosodie | (G B) (A W) |
Automatisierte Sprache | G (W (B) A) |
Semantische Struktur | G W (B A) |
Phonematische Struktur | G (B (W) A) |
Syntaktische Struktur | G B W A |
Klassifikationsschema nach den AAT-Untertests Spontansprache und Sprachverständnis (vereinfacht)
syntaktische Struktur (Spontansprache) | |||
leicht | schwer | ||
Sprachverständnis | leicht | Amnestische Aphasie | Broca Aphasie |
schwer | Wernicke Aphasie | Globale Aphasie |