Apparative phonetische Methoden:
Elektrolaryngographie (ELG) bzw. Elektroglottographie (EGG)
Der Laryngograph (oder Glottograph) ist ein Gerät zur Messung bestimmter Aspekte der laryngalen Aktivität. Um die Funktionsweise des Laryngographen zu verstehen, sind einige Grundkenntnisse der Anatomie des Larynx und des Phonationsvorgangs nötig. Diese Kenntnisse werden iim ersten Abschnitt vermittelt, bevor es dann um das Funktionsprinzip und die Anwendung des Laryngographen geht.
Anatomie des Larynx
Der Larynx (Kehlkopf) ist eine komplexe Konstruktion bestehend aus Knorpelstrukturen, Muskeln, Bändern, Bindegewebe und Schleimhäuten. Er bildet den oberen Abschluß der Luftröhre. Der größte Kehlkopfknorpel, der auch durch die Haut des Halses hindurch spürbar ist ("Adamsapfel"), ist der Schildknorpel (Thyroid). Er sitzt unten auf dem Ringknorpel (Cricoid) auf und ist nach oben über Bindegewebe mit dem Zungenbein (Hyoid) verbunden. Innerhalb des Schildknorpels befinden sich zwei kleinere Knorpel, die Stellknorpel (Arytenoid). Zwischen dem Schildknorpel und den beiden Stellknorpeln spannen sich die beiden Stimmlippen. Die Stimmlippen selbst bestehen jeweils aus einem Stimmband (l. vocale) und dem Vokalismuskel, umgeben von Schleimhaut. Der Spalt zwischen den Stimmlippen, durch den beim Ein- und Ausatmen die Luft in die bzw, aus der Luftröhre strömen kann, heißt Glottis. Die folgende Abbildung zeigt eine schematische Darstellung des Larynx (Draufsicht) auf Höhe der Glottis.
Durch Kippen und Drehen der Kehlkopfknorpel kann die Stellung der Stimmlippen verändert werden. In der Abbildung oben befinden sich die Stimmlippen in der Respirationsstellung, d.h. sie berühren sich nicht, die Glottis ist geöffnet. Durch Annäherung (Kontraktion des Transversmuskels) und Drehen der beiden Stellknorpel können die Stimmlippen soweit aneinander angenähert werden, bis sie sich berühren und die Glottis verschließen. In dieser Stellung gelangt keine Luft aus der oder in die Lunge.
Der Vokalismuskel ist am Verschluß der Glottis nicht beteiligt, er steuert die innere Elastizität der Stimmlippen. Da seine Muskelfasern nicht parallel zu den Stimmbändern verlaufen, sondern zopfartig miteinander verflochten sind, ist die Kontraktion des Vokalismuskels sehr fein dosierbar.
Die Länge der Stimmlippen beträgt bei Frauen 1,3 bis 2 cm, bei Männern 1,7 bis 2,4 cm. Durch die gelenkige Verbindung (Drehachse) zwischen Thyroid und Cricoid können beide Knorpel gegeneinander verkippt werden, wodurch die Stimmlippen um bis zu 4 mm gedehnt werden. Verantwortlich für die Verkippung ist der Cricothyroid–Muskel, der (beidseitig) vom posterioren Teil des Schildknorpels zum anterioren Teil des Ringknorpels verläuft. Dargestellt ist die Kippbewegung des Thyroid nach unten, vorstellbar ist aber auch eine Kippbewegung des Cricoid nach oben (mit dem selben Effekt). Auftreten, Ausmaß und Zusammenspiel der beiden möglichen Kippbewegungen ist nach wie vor umstritten.
Die primäre Funktion des Larynx ist die eines Ventils: Er verhindert das Eindringen fester und flüssiger Nahrung in die Luftröre. Außerdem kann mit seiner Hilfe (durch Verschluß der Glottis) Luft in der Lunge akkumuliert werden, was z.B. eine wichtige Voraussetztung für das Husten ist. Die Beteiligung am Sprechvorgang ist eine sekundäre laryngale Funktion. Der wichtigste Beitrag des Larynx im Rahmen der Lautäußerung ist die Phonation, d.h. die Produktion der Stimme bei stimmhaften Lauten.
Die Phonation
Das heute vorherrschende Erklärungsmodell der Phonation ist die myoelastisch-aerodynamische Theorie. Entgegen älteren Modellen, die das schnelle Schwingen der Stimmlippen während der Phonation allein auf neurale und muskuläre Aktivierung zurückführten, beschreibt die myoelastisch-aerodynamische Theorie die Phonation als ein komplexes Zusammenspiel von neuraler Aktivierung, Muskelspannung, Regulation des subglottalen Luftdrucks und aerodynamischen Prozessen. Den einzelnen Komponenten lassen sich grob die folgenden Aufgaben zuordnen: neurale Aktivierung und Muskelspannung kontrollieren das laryngale Setting, also die Stellung der Kehlkopfknorpel, sowie die Spannung und Elastizität der Stimmlippen, während subglottaler Luftdruck und aerodynamische Prozesse für die eigentliche Phonation, das schnelle und regelmäßige Schwingen der Stimmlippen, verantwortlich sind. Die folgende Abbildung zeigt in schematischer Darstellung die laryngale Konfiguration während der Phonation: Die Stellknorpel nähern die beiden Stimmlippen aneinander an und die charakteristische Spannung des Vokalismuskels erlaubt das Schwingen der Stimmlippen, d.h. das schnelle und regelmäßige Öffnen und Schließen der Glottis.
Diese Schwingung der Stimmlippen wird durch das Zusammenspiel des subglottalen Luftdrucks mit einen aerodynamischen Prozeß, dem sogenannten Bernoulli-Effekt in Gang gehalten. Der Mathematiker und Physiker D. Bernoulli hat im 18. Jhd. beschrieben, daß bei Gasen und Flüssigkeiten, wenn sie durch eine Verengung fließen, die Durchflußgeschwindigkeit zunimmt, während gleichzeitig an der Verengung senkrecht zur Fließrichtung ein Druckabfall stattfindet, d.h. es entsteht ein Unterdruck. Auf den Phonationsvorgang übertragen bedeutet dies, daß die Luft, die aus der Lunge durch die Luftröhre nach außen gepreßt wird an dem Glottisspalt, der einen geringeren Querschnitt aufweist als die Luftröhre, auf eine Verengung trifft. Die Fließgeschwindigkeit der Luft nimmt zu, während an der Glottis ein Unterdruck entsteht, der die Stimmlippen zusammenzieht und die Glottis verschließt (Bernoullikräfte). Unterhalb der verschlossenen Glottis baut sich dann wieder ein Druck auf, der die Stimmlippen rasch wieder auseinander sprengt, die angestaute Luft kann durch die Glottis entweichen, was wiederum zu einem Unterdruck und dem Verschluß der Glottis führt. Dieser Phonationszyklus, also das abwechselde Sprengen des Glottisverschlußes durch subglottalen Luftdruck und Verschließen der Glottis durch Unterdruck, ist in der folgenden Abbildung dargestellt.
Die Luft wird von unten gegen die verschlossene Glottis gepreßt, bis der Druck ausreicht, um den Verschluß zu sprengen. Die Glottis öffnet sich von unten nach oben, die Luft fließt in den supraglottalen Raum und infolge des Bernoulli-Effekts entsteht ein Unterdruck (rote Pfeile). Die Glottis schließ sich wieder und zwar von unten nach oben und subglottal baut sich erneut ein Druck auf. Da sich sowohl horizontale als auch vertikale Bewegungskomponenten beobachten lassen, wird die Bewegung der Stimmlippen am besten als rollend bezeichnet.
Die Art und die Geschwindigkeit dieser rollenden Bewegung hängt entscheidend von der Länge und von der Elastizität der Stimmlippen ab. Beide Parameter - Länge und Elastizität - sind biologisch determiniert aber auch individuell steuerbar. Die Länge ist einerseits geschlechtsabhängig (Frauen kürzer, mapänner länger), kann aber auch z.B. durch Kippen des Ringknorpels verändert werden. Die Elastizität ist bei jüngeren Menschen größer als bei älteren Menschen, kann aber auch durch Kontraktion des Vokalismuskels reguliert werden.
Die Länge der Stimmlippen
Die Länge der Stimmlippen ist vorallem verantwortlich für die Schwingungsfrequenz: kürzere Stimmlippen schwingen schneller, d.h. ein Phonationszyklus dauert weniger lang, die Schwingungsfrequenz ist höher. Die Schwingungsfrequenz der Stimmlippen wird als Sprachgrundfrequenz (F0) bezeichnet und korreliert mit der wahrgenommenen Tonhöhe. Je schneller die Stimmlippen schwingen (also je kürzer der Phonationszyklus) desto höher ist die Stimme. Die biologisch determinierte Länge der Stimmlippen bestimmt über die Stimmlage (Frauen: kürzere Stimmlippen, höhere Stimme; Männer: längere Stimmlippen, tiefere Stimme) und die steuerbare Variation der Länge erzeugt (u.a.) die Spachmelodie, also die Variation der Tonhöhe innerhalb der Stimmlage. Z.B. beträgt bei einer Frauenstimme die Dauer eines Phonationszyklus zwischen ca. 6,7 ms und 4,6 ms; dies entspricht einem Tonhöhenumfang von 150-220 Hz (= Schwingungen pro Sekunde). Bei einer Männerstimme dauert ein Zyklus zwischen ca. 10 ms und 5,6 ms, was einem Tonhöhenumfang von 100-180 Hz entspricht. Eine Kinderstimme liegt bei 300 Hz und höher (300 Hz entspricht einer Zyklusdauer von 3,3 ms).
Die Elastizität der Stimmlippen
Die Elastizitätabindex der Stimmlippen entscheidet auch über die Schwingungsfrequenz, vorallem aber auch über die Stimmqualität. Die 'normale' Spannung der Stimmlippen führt zur modalen Stimme, erhöhte Spannung führt zu Falsetto, geringere Spannung zur sog. Knarrstimme oder creaky voice.
Es sollte deutlich geworden sein, daß der Phonationsvorgang ein hochkomplexer Prozeß ist, dessen einwandfreier Ablauf von zahlreichen Parametern abhängig ist. Die beteiligten organischen Strukturen und physikalischen Prozesse bilden ein empfindliches und störanfälliges Gesamtsystem. Die Beeinträchtigung einer Komponente führt fast immer zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems, also zu einer wahrnehmbaren Stimmstörung. Mögliche Ursachen für Stimmstörungen sind zum Beispiel die Veränderung der Masse einer oder (selten) beider Stimmlippen durch Polypen oder Karzinome, die Beeinträchtigung der neuralen Aktivierung und damit der Muskelaktivität z.B. durch eine Rekurrensparese oder eine abweichende Viskosität der Stimmlippen bei einer Laryngitis. Alle diese Beeinträchtigungen führen zu einem veränderten Schwingungsverhalten und damit zu einer wahrnehmbaren Veränderung des gesamten Phonationsprozesses.
Die Funktionsweise des Laryngographen
Der Elektrolaryngograph (ELG) bzw. Elektroglottograph (EGG) besteht aus zwei Oberflächenelektroden und einem ELG-Prozessor. Die meisten ELG-Systeme verfügen darüber hinaus über eine DSP-Karte zum Anschluß an einen PC und über eine Visualisierungs- und Auswertungssoftware (z.B. die ELG-Systeme von Laryngograph Ltd und KayPENTAX).
Die Oberflächenelektroden werden mittels eines Klettbandes an den beiden Flügeln des Schildknorpels angebracht. Während des Betriebs liegt an den beiden Elektroden eine konstante geringe Spannung an und zwischen den Elektroden fließt eine hochfrequenter Wechselstrom. Spannung und Stromstärke sind so bemessen, daß sie erstens nicht empfunden werden und zweitens, daß sie die elektrophysiologischen Vorgänge im Kehlkopf und drumherum nicht stören. Dieses sehr genaue elektrische Signal liefert der EGG-Prozessor. Das Meßprinzip des Laryngographen beruht nun darauf, daß das elektrische Leitungsvermögen zwischen den Elektroden variiert, und zwar abhängig davon, ob die Glottis geöffnet oder geschlossen ist. Dies ist darauf zurüchzuführen, daß der Luftspalt bei geöffneter Glottis einen höheren elektrischen Widerstand bildet als der ununterbrochene Kontakt von Gewebe und Schleimhäuten bei geschlossener Glottis. D.h. bei Glottisverschluß wird der Strom zwischen den Elektroden besser geleitet als bei Glottisöffnung. Diese Variation des elektrischen Leitungsvermögens bei konstanter Spannung wird von EGG-Prozessor aufgezeichnet und bildet als Funktion über der Zeit das laryngographische Signal, die sog. Lx-Kurve.
Die folgende Abbildung zeigt die Korrelation zwischen verschiedenen Stadien des Phonationszyklus und charakteristischen Punkten einer Lx-Periode.
Vor- und Nachteile des Laryngographen
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